Einst, bei #KeinFussball, war es der DFB, der das auf der Gegengerade in großen Lettern geschriebene „Kein Fussball den Faschisten“ anlässlich eines Länderspiels aus Zeitmangel nur so abklebte, dass letztlich nur ein „Kein Fussball“ stehen blieb (angeblich, weil man vermeiden wollte, dass Nationalspieler vor dem Wort „Faschist“ zu sehen seien).
Jetzt ist es nun ausgerechnet ein gewisser Kai D., der mit seinem Tweet „Kein Herz für Flüchtlinge: Schade eigentlich, @fcstpauli! #refugeesnotwelcome St. Pauli boykottiert „WIR HELFEN““ bei mir erst ein Stirnrunzeln, aber letztlich dann einen anhaltenden Lachanfall auslöste.
Etwas, was der DFB mit seinem nur teilweisen Abkleben des „Kein Fussball den Faschisten“ erreichte, war nämlich, dass dieser Schriftzug über die komplette Gegengeraden bei nun wirklich allen bekannt sein dürfte, selbst bei denen, die sich sonst nicht für Fußball interessieren, denn die entsprechende Diskussion schaffte es in „Mainstreammedien“ abseits des Fußballs (wobei das ja fast schon ein Widerspruch in sich ist, grins).
Etwas ähnliches wird nun schätzungsweise durch diese lustige Behauptung vom Fraggle geschehen, nach der beim FC St. Pauli angeblich Flüchtlinge nicht willkommen seien. Ein „#Refugeeswelcome“ durch ein Demagogenblättchen entwickelt sich verdientermaßen zum „#BILDnotwelcome“
Willkommenskultur durch ein Medium, was bis vor einem Monat durchgängig gegen Flüchtlinge, ganze Völker oder soziale Bevölkerungsgruppen hetzte, in jahrelangen Kampagnen, schwingt sich jetzt zum Anführer einer Willkommenskultur auf? Mit Hilfe des Massensports Fussball- Bundesliga?
Das ist so dermaßen grotesk und realitätsfern, das werden ihm nicht mal seine eigenen Leser glauben.
Etwas, was lange Jahre ein quasi Alleinstellungsmerkmal beim FC St. Pauli war, was seit 30 Jahren von den Anhängern und zunehmend dem kompletten Club gelebt wird negieren zu wollen, ist so dermaßen giggle, ich weiß auch nicht mehr. Es würde mich nicht wundern, wenn da nun weitere Clubs nachziehen werden – konkret fielen mir da so einige potentielle Vereine für ein (wobei Union Berlin leider ja das Ding eh nicht tragen wird Pardon, ich dachte da gerade an Babelsberg, die bekanntlich kein Bundesligist sind).
#BILDnotwelcome hat es jedenfalls zumindest schon mal in die deutschlandweiten Twitter – Trends geschafft, und es berichten auch schon die ersten professionellen Medien darüber – ich denke, das Ding wird nun seine Runde machen, und dabei in keinem Fall dem FC St. Pauli schaden (außer halt bei den Honks, aber die mochten diesen Verein eh noch nie – eben deswegen) – ganz im Gegenteil.
Letztlich wird es dem Fraggle bei seinem Tweet darum gegangen sein, ins Gespräch zu kommen. Ist ihm gelungen. Wenn eben auch eher als Fraggle.
Aber was viel wichtiger ist: Das ein „Refugees welcome“ von einem Hetzer ausgesprochen einfach nicht glaubwürdig ist, und es auch nicht wird, wenn man versucht, alle Profifussballvereine in seine Whitewashing- Werbekampagne einzuspannen. Es gibt da nämlich welche, die sich nicht zum Spielball eines rassistischen Hetzblattes machen lassen. Vielleicht ja sogar mehr als bloß den FC St. Pauli.
Und letztlich wird es – um mal dieses Wort zu verwenden – zur Markenschärfung beim FC St. Pauli führen – Chapeau, Präsidium! Still loving you!
Werte verteidigen! Refugees welcome!
Inzwischen hat sich auch der FC St. Pauli auf seiner offiziellen Seite wie folgt geäußert:
Absage an Badges-Aktion
Der FC St. Pauli wird nicht an der von der Deutschen Fußball Liga, Hermes Logistik und Bild-Zeitung initiierten Badges-Aktion unter dem Motto „Wir helfen“ am kommenden Spieltag teilnehmen.Darüber informierte der Club am Mittwochvormittag alle beteiligten Parteien. Mit Verwunderung haben die Verantwortlichen des FC St. Pauli zur Kenntnis genommen, dass das vertrauliche Schreiben an die Bild-Zeitung von dieser genutzt wurde, die Absage des FC St. Pauli negativ in der Öffentlichkeit darzustellen.
In einer Stellungnahme erklärt der kaufmännische Geschäftsleiter Andreas Rettig die Beweggründe des FC St. Pauli nicht an der Aktion teilzunehmen:
„Der FC St. Pauli ist seit vielen Wochen auf verschiedenen Ebenen zu einem Thema, das seit Monaten alle emotional bewegt, aktiv, um den Menschen, die nach Deutschland geflohen sind, zu helfen. Unser Testspiel gegen Borussia Dortmund, das private Engagement unserer Spieler sowie verschiedenste Aktionen unserer Fans und Abteilungen für die Flüchtlinge in Hamburg sind Beleg dafür. Daher sehen wir für uns nicht die Notwendigkeit, an der geplanten, für alle Clubs freiwilligen Aktion der DFL teilzunehmen. Hierüber haben wir vorab alle Beteiligten informiert. Der FC St. Pauli steht für eine Willkommenskultur und wir handeln damit auf eine Art und Weise, die unseren Club schon seit Jahrzehnten ausmacht. Wir leisten ganz praktische und direkte Hilfe dort, wo sie gebraucht wird.“
https://twitter.com/Telegehirn/status/644170134718967809
Ich allerdings auch… Wobei – ich kann mir deren Grinsen beim Schreiben der Meldung irgendwie auch vorstellen.
#BILDnotwelcome REPOST pic.twitter.com/Gix4LGvyTa
— extra3 (@extra3) September 16, 2015
Es schrieben ansonsten auch noch zu dem Thema:
- Der Übersteiger-Blog: „#MaxGoldtWelcome„
- Der Magische FC: „#bildnotwelcome„
- Der Bildblog: „Wer nicht für „Bild“ werben will, muss gegen Flüchtlinge sein„
- Blutgrätsche Deluxe: „#BILDnotwelcome„
- Die 11 Freunde: „Die DFL, die Bild und die Flüchtlinge„
- Der Wochenendrebell: Die besorgte Zeitung„, hat inzwischen auch am Artikelende alle verfügbaren Erklärungen der Erstligisten ergänzt
- Der Kicker mit Statement von Rettig: St. Pauli verweigert Bild-Logo auf Trikotärmel„
- Carsten Schulz erstellte ein Storyfy
- StPauli.nu schreibt über den „großen Irrtum des Kai Diekmann„
- Der NDR: „St. Pauli will „Bild“-Aktion nicht mitmachen!
- Heinz Kamke redet von „Wellen und hat eine Bitte an den VfB Stuttgart und andere Bundesligisten„
- Die Blogrebellen sind auch nicht wirklich Freund vom Diekmann
- Die Schwarzgelbe Ecke erinnert sich an das RefugeesWelcome – Testspiel seiner Dortmunder letzte Woche
- …und sicher bald auch weitere, die ich ergänzen kann…
Einen Tag später zieht dann auch Union Berlin auf seine Weise nach, und lässt Flüchtlinge im zukünftigen Fanhaus überwintern – auch wenn das dann dadurch nicht zum 50. Vereinsjubileum für den vorgesehenen Zweck genutzt werden kann. Und diesen seltsamen Badge werden die am Wochenende natürlich auch nicht tragen.
This is how we do it… http://t.co/j0O9Xf4hdt #fcunion #refugeeswelcome #willkommeninberlin
— 1. FC Union Berlin (@fcunion) September 17, 2015
Und der VfL Bochum, wenn auch nicht wegen des Initiators, aber wegen dessen Reaktion auf eine Nichtbeteiligung:
#refugeeswelcome, aber #meinVfL verzichtet trotzdem auf die Trikot-Badges beim Spiel gegen @f95. http://t.co/DezJzriJGT
— VfL Bochum 1848 (@VfLBochum1848eV) September 17, 2015
Und Freiburg…
Der #SCF setzt auf konkrete Hilfen und wird gegen den #DSC ohne veränderten Ärmel-Aufnäher auf den Platz gehen. http://t.co/KBOqvLNgF3
— SC Freiburg (@scfreiburg) September 17, 2015
Und, als erstes Fazit von mir nach nur zwei Tagen, die sich wie eine Woche anfühlten:
#BILDnotwelcome war kein Eigentor der Bild Aber es war gut, was der @fcstpauli tat #fcsp http://t.co/oXSAtZCS7A pic.twitter.com/BKNsXwjZjc
— 🤎🤍❤️☠ Stefan Derbysieger ☠🤎🤍❤️ (@Kiezkickerde) September 18, 2015
Am Samstag lieferte der NDR dann noch eine Übersicht, wie unterschiedlich die Vereine letztlich damit umgingen. Teilweise wurde bspw. auch nur das Logo der Zeitung abgeklebt. Insgesamt haben sich 10 Vereine auf ihre Weise von dem Medienprodukt distanziert.
Neun Clubs haben sich dem @FCStPauli angeschlossen und boykottieren die #wirhelfen-Aktion der #Bild. http://t.co/7fStt3AvRV #BILDnotwelcome
— NDR.de (@ndr) September 19, 2015