In der Woche nach dem Heimspiel gegen Dynamo Dresden haben die Verantwortlichen des FC St. Pauli die Zeit genutzt, um die Vorfälle, die sich im Heimbereich Nordtribüne, im Gästebereich und nach der Partie im Stadion zugetragen haben, aufzuarbeiten. Welche das waren, wisst ihr entweder, oder lest es in den unten verlinkten Berichten nach.
Der Mann, der am Sonnabend (01.12.18) im Heimbereich auf der Nordtribüne während der zweiten Halbzeit einen Herzinfarkt erlitten hatte und reanimiert werden musste, befindet sich weiterhin im Krankenhaus. Die Familie, mit der der FC St. Pauli in Verbindung steht, dankt noch einmal allen, die dazu beigetragen haben, dass so schnell lebensrettende Maßnahmen ergriffen werden konnten. Wir drücken alle Daumen für eine baldige und vollständige Genesung.
Bereits vor dem Spiel kam es zu massivem Vandalismus inklusive einer Brandstiftung im Bereich der Toiletten des Gästeblocks. Für das nächste Heimspiel gegen Greuther Fürth (Sonnabend, 15.12.18, 13 Uhr) ist gewährleistet, dass alles wieder in Stand gesetzt ist. Hinsichtlich des durch die Dresdner Fans verursachten Schadens gehen die Verantwortlichen davon aus, gemeinsam mit Dynamo Dresden eine Lösung zur Schadensregulierung zu finden. Der DFB-Kontrollausschuss hat beide Vereine zu diesem Vorgang um eine Stellungnahme gebeten.
Außerdem wurden die Clubs vom Kontrollausschuss wegen des im Gästeblock gezeigten Hitler-Grußes zu einer Stellungnahme aufgefordert. Neben dem Deutschen Fußball-Bund haben auch Polizei und Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen.
Der FC St. Pauli hat zudem klar gemacht, dass frauenverachtende und sexistische Banner nicht tolerabel sind. Auch in Bezug auf das Zeigen eines eben solchen Banners im Gästeblock gegen Ende der Partie hat der DFB-Kontrollausschuss von beiden Vereinen eine Stellungnahme eingefordert.
Zu den Vorkommnissen, bei denen nach dem Spiel St. Pauli-Fans auf der Haupttribüne verletzt worden sind, ist es zu einer selbstkritischen Auseinandersetzung zwischen allen Beteiligten gekommen. Hier kam es zu Gesprächen zwischen den Geschädigten, Vertretern des Vereins, des Fanladens und der Fanszene. Jetzt gilt es, den Fortgang und die Ergebnisse der weiteren Ermittlungen abzuwarten, bei denen dem FC St. Pauli die Sicherheit der BesucherInnen das größte Anliegen ist.
Und damit ich in zehn Jahren auch noch weiß, was eigentlich los war, hier die Spielberichte zu dem Heimspiel:
- Schweigeprotest gegen Zerstückelung der Spieltage beim Dresden-Heimspiel und eine Meinung vom MagischenFC dazu
- Am schnellsten (und dennoch mit guten Worten) reagierte magischerfc auf die Vorkommnisse
- beebleblox.blogspot.com sagt „Das blöde Volk war wieder da„
- Gröni hat wieder fotografiert und auch ein wenig dazu geschrieben
- Der magischeFC fand nach einer Nacht drüber schlafen weitere einordnende Worte (die er in einem Punkt anschließend korrigieren musste)
- Der Millernton tönt nicht nur, sondern schreibt auch, dass sich schon deren Großeltern scheiße benommen hätten
- Ring2 redet über den Dresdner Dreck im Tümpel
- MagischerFC findet dann erneut, dass wir da mal drüber reden müssen
- Natürlich hat auch der Kleine Tod wieder geschrieben und findet es sportlich irrelevant und findet, dass an diesen Tagen alleine der FCSP zählt
- Die Vertretung der offziellen FC St. Pauli-Fanclubs – der Fanclub-Sprecherrat – hat auch eine Meinung zu dem Sexismus der Dresdner
- Die vom Hamburger Millerntor finden, ohne sie sei keine Stimmung
Ich für meinen Teil habe mehrfach versucht, einen Bericht über das Spiel zu schreiben, aber es ist mir einfach nicht gelungen. Weder direkt nach dem Spiel, denn da war ich zu aufgewühlt und zu wütend – da wäre dann zu viel strafbares ins Blog gewandet – noch mit einigen Tagen Abstand – denn da war dann von anderen bereits alles besser gesagt, als ich es hätte sagen können. Und dann kam halt die Jahreshauptversammlung dazwischen, und ich wollte ja noch den Bericht vom magischenfc von der letztjährigen nachlesen, und das dauert halt auch immer eine Weile….
Letztlich blieb es also bei meinem Tweet:
#YNWA #FCSP
Und mehr mag ich zu dem heutigen Spieltag nicht sagen.
Oder doch: Dresden verharrt vom menschlichen Entwicklungsstand gesehen auf dem bisherigen Niveau. Wer Sanitäter mit Gegenständen bewirft, während diese einen Verletzten bergen – nun, dem wünsche ich was. #FCSPsgd https://t.co/KCm6T2BtSB— 🤎🤍❤️☠ Stefan Derbysieger ☠🤎🤍❤️ (@Kiezkickerde) December 1, 2018
Vielleicht ist das auch besser so…
….wobei…
Hier, das war mein letzter Entwurf, den ich nun doch aus dem Papierkorb gefischt habe:
Auch drei Tage nach Dresden bin ich mir noch nicht so recht darüber im klaren, wie ich unser letztes Heimspiel im Nachgang bewerten soll. So, wie es gelaufen ist, fühlt es sich falsch und richtig zugleich an.
Viele Dinge – und ich würde als Resümee sagen die meisten – sind gut gelaufen. Einige aber auch ziemlich scheiße.
Um das von mir geschriebene richtig einschätzen zu können, sollte man vielleicht noch wissen, dass mein Standort der obere, mittlere Bereich der Südkurvenstehplätze ist. Ich werde meinen Bericht ganz bewusst in einzelne Thematiken aufspalten.
Vor dem Spiel
…war es aus meiner Sicht alles wie immer, wenn man denn mal davon absieht, dass das Polizeiaufgebot leicht erhöht war. Nicht übermäßig, aber doch merkbar. Unangenehm aufgefallen ist es mir in dem Moment noch nicht, und ich sah weder mehr Mannschaftswagen noch Dinge wie Wasserwerfer- was vielleicht auch an meinem relativ kurzen Weg zum Stadion liegt (einmal durch die Otzenstraße und den Paulinenplatz, fertig). Andererseits gab es auch schon Spieltage, wo am Paulinenplatz mehrere Mannschaftswagen der Polizei parkten und man dann beim ankommen an der Budapester Straße weitere stehen sah – ich erblickte lediglich ein paar herumlungernde grüne Gestalten am Schwimmbadparkplatz, nichts ungewöhnliches also. Die Menschen auf Twitter, die schon vor dem Spiel bürgerkriegsähnliche Zustände gesehen haben (wollen) müssen also wohl mindestens mal einen anderen Anfahrtsweg bzw. eine andere Richtung gehabt haben.
Gegen 12 Uhr dann am Stadion angekommen habe ich noch kurz versucht, einen Abnehmer für ein überzähliges Südkurven-Ticket zu finden, was mir aber für mich erstaunlich nicht gelang – stattdessen lungerten wieder die gleichen Leute wie immer direkt am Kartencenter mit ihren hochgehaltenen Tickets herum. Finde ich immer wieder faszinierend, dass einerseits das Stadion immer ausverkauft ist und Leute nicht rein kommen, weil sie kein Ticket haben, und andererseits dann Tickets zum Normalpreis nicht loszuwerden sind- gegen Dynamo Dresden. Für mich kommt leider die Ticketbörse vom Verein nicht infrage, weil sich erst am Spieltag entscheidet, ob das Ticket von mir benötigt wird oder nicht, so dass nur die Option AFM-Kartenschlange oder hochgehaltene Schilder möglich sind. Die Leute in der AFM-Dauerkartentauschbörsen-Schlange wollten mal wieder alle auf die Gegengerade (tja, wer nicht will, hat halt schon), und die Leute mit ihren „Suche Südticket“- Pappen, die nicht die üblichen Schwarzhändler sind – nun, die wollten noch nicht gemeinsam mit mir reingehen (inzwischen war es 12:10 Uhr), weil ihre Kumpels noch nicht da waren. Tja, Pech gehabt, wer nicht will hat eben schon zum Zweiten. Glauben die wirklich, dass ich dann ne knappe Stunde vor Anpfiff noch draußen mit denen auf ihre Kumpels warte? Nee, dann geh ich halt mit zwei Saisontickets in die Süd und erhöhe die „No Show“-Rate eben um ein nicht losgewordenes Ticket. Finde ich zwar ziemlich bescheiden, aber was willst du machen, wenn die Leute einerseits nicht so drauf sind, dass sie ein „egal wo, hauptsache drin“ akzeptieren (und die Stehplätze in der Süd sind nun weißgott nicht die schlechteste Option), und andererseits nicht willens sind, sich dann eben drinne mit ihren Kumpels zu treffen statt draußen am Südkurveneingang – ausgedruckt wird mein Saisonticket jedenfalls von mir nicht, sondern nur zusammen mit mir gemeinsam rein gegangen, und wer das dann nicht akzeptieren will oder kann bleibt halt draußen.
Der Stimmungsboykott
…lief aus meiner Sicht und Hörweite erstaunlich gut ab. Erster Aha-Moment war direkt nach Anpfiff, denn das man Mitte oben in der Südkurve den Schiedsrichter bei einem Foul pfeifen hört kommt nicht allzu häufig vor – was für ein ungewöhnliches Geräusch! Ansonsten bestand die Geräuschkulisse in der ersten Halbzeit überwiegend aus allgemeinen Gemurmel – selbst bei eigenen oder Dresdner Torchancen stieg die Lautstärke dieses „Grundrauschens“ nur unwesentlich an.
So gesehen kann man die Wirkung wohl als „Erfolg“ verbuchen.
Grundsätzlich fragen muss man sich natürlich, ob man sich an solchen bundesweiten Dingern beteiligen soll und kann. Und hier bin ich nun, am dritten Tag nach dem entsprechendem Spiel, zu einem ziemlich eindeutigen „Ja, in diesem Fall schon“ gekommen. Und das aus den folgenden Gründen:
Als wichtigsten Grund möchte ich einmal den gerade erfolgten Wegfall des Montagsspiels in der Ersten Liga anführen. Hier zeigt sich, dass Dinge auch zurück genommen werden können, wenn die Vereine(!) diese Änderung wollen. So gesehen haben die Dresdner mit ihrem „Vereine, ihr habt es selbst in der Hand“-Transpi den Nagel auf den Kopf getroffen. Daran zu glauben, dass es die Fernsehsender interessiert, ob in den Stadien Stimmung ist oder nicht halte ich für vermessen- das sieht man bspw. an England, wo quasi keine Stimmung mehr herscht und die TV-Gelder dennoch immer weiter in die Höhe steigen. Die Zuschauer gewöhnen sich schnell daran, dass „Gemurmel“ die normale Geräuschkulisse während eines Bundesligaspiels ist. Ansprechpartner für die Abschaffung der Wochenspieltage können also nur die Vereine sein – und die erreicht man in der Tat durch einen Stimmungsboykott ganz direkt. Beispielsweise bei Verhandlungen mit Spielern mag es natürlich primär um solche „Hardfacts“ wie Gehalt und mögliche Einsatzzeiten gehen, aber in je mehr Stadien die Stimmung immer schlechter wird, desto stärker fallen dann auch solche Softfacts wie „immer volles Haus und eine geniale Stimmung“ für den FC St. Pauli positiv in die Waagschale. Nun glaube ich nicht, dass man beim FC St. Pauli jemanden davon überzeugen müsste, dass Wochenspieltage scheiße sind- aber noch verbindet jeder das Millerntor damit, dass es hier voll und laut ist.
Und das ist auch der Grund dafür, dass ich nach wie vor der Ansicht bin, dass gerade wir als FC St. Pauli uns an diesem Stimmungsboykott beteiligen mussten. Nirgendwo sonst fällt ein Wegfall von Stimmung nämlich so sehr auf wie bei Spielen am Millerntor (oder von mir aus bei Vereinen, wo eine ähnlich gute Stimmung herscht). Und es war nicht irgendein Stimmungsboykott, sondern der erste nach Wegfall des Montagsspiels in der Ersten Liga.
Tja. Und mehr konnte ich nicht schreiben, denn dann hätte ich zu dem Notarzteinsatz in der Nordkurve kommen müssen, der mich jedoch so mitgenommen hatte, dass ich darüber nicht wirklich schreiben konnte…
Letztlich zählt da nur eines:
Möge er beim nächsten Heimspiel wieder in der Nordkurve stehen!
Tja, und nun wird das Montagsspiel tatsächlich abgeschafft… Wenn auch erst ab 2021/22.
Be First to Comment