Moin,
was für eine turbulente Woche (zwei Tage! Es waren tatsächlich gerade einmal zwei Tage, die sich wie eine Woche anfühlten), in der ein Medienunternehmen vieles richtig gemacht hat, in dem der FC St. Pauli aber deutlich mehr richtig machte.
Ja, auch die Bild hat vieles richtig gemacht, denn wir sind uns sicherlich einig darin, dass das alles nicht zufällig oder sogar aus einer Fehleinschätzung der Situation geschah, sondern Kalkül war und ist.
Die Werbewirkung hat diese Zeitung in der letzten Woche jedenfalls geliefert bekommen, deutlich mehr, als es ein kleiner Badge an der Seite eines Ärmels jemals tun könnte, der allenfalls in der Sportschau in drei Sätzen erwähnt worden wäre. Nun war diese Zeitung auch dank des FC St. Pauli mehrere Tage lang Gesprächsthema nicht nur bei Fußballfans.
Und doch hat der FC St. Pauli, hat das Präsidium und hinzugezogene Gruppen, so es sie denn in diesem Fall gab, alles richtig gemacht.
Zunächst einmal darin, sich nicht an der scheinheiligen Aktion zu beteiligen.
Dann darin, dieses nicht beteiligen „intern“ zu erklären, sehr genau wissend, dass es ein intern bei diesem Hetzblatt niemals geben wird.
Dann darin, eine sehr sachliche Meldung heraus zu hauen, wo eben dieses „nicht intern bleiben“ nur in einem Nebensatz thematisiert wird, wo aber auch sehr deutlich drin steht, warum man sich nicht beteiligen konnte. Und warum es auch andere Vereine nicht tun sollten, die sich bereits in der Vergangenheit für Refugees eingesetzt haben, in welcher Form auch immer dieses geschah.
Lustigerweise habe ich, ebenso wie offenbar das Präsidium des FC St. Pauli, den Verlauf dieser letzten Tage so vorausgeahnt, als ich schrieb, mich würde vieles an dieser Aktion an den damaligen #KeinFussball – Skandal vom DFB erinnern, als der große Verband etwas tat, was man einfach nicht tun sollte – antifaschistisches Engagement zu konterkarieren.
Lustigerweise haben sich so ziemlich genau die Vereine dem „Boykott“ dieser freiwilligen Aktion angeschlossen, von denen ich es erwartet hatte – schade, dass ich die nicht im Artikel vorab nannte, dann hätte ich mir jetzt auf die Schulter klopfen können – auch wenn es in mindestens einem Fall nicht deswegen geschah, weil man die Aktion an sich heuchlerisch findet, sondern weil damit der Umgang dieses Machwerks mit dem FC St. Pauli kritisiert werden und sich solidarisch gezeigt werden sollte.
Mir war klar, dass Union Berlin sich recht schnell anschließen würde. Das bei denen das Herz an der richtigen Stelle sitzt, hat sich bereits an der ein oder anderen weiteren Aktion gezeigt, als Dinge angepackt wurden, oder eben mal Dinge nicht unterschrieben wurden (auch wenn ich in meinem Artikel da statt Union irgendwie Babelsberg 03 im Kopf hatte, die Berliner / Brandenburger mögen es mir verzeihen). Gehofft hatte ich auch noch auf den SC Freiburg. Und eigentlich auch auf den FC Bayern, wenn ich ehrlich bin. Nicht wirklich erwartet hatte ich es vom VfL Bochum. Vielleicht kommt da dann das rebellische durch, was man als verhältnismäßig kleiner Verein inmitten dieser Ruhrpott- Megaclubs über die Zeit entwickelt. Nürnberg? Ich weiß ja nicht so recht, bisher klingt deren Meldung _sehr_ schwammig.
Ebenso erwartet habe ich, dass ein großer Teil der Liga sich entweder gar nicht äußern wird, oder wenn sie es tun in einer geradezu abenteuerlichen Art und Weise. Beispielsweise so, wie es der FC Köln tat:
Was für eine abenteuerliche Erklärung, die die Wahl des Arbeitgebers auf eine Stufe mit der Wahl einer Flucht aus einem Kriegsgebiet stellt. Als hätten sich die Flüchtlinge ausgesucht, dort nicht mehr leben zu können, wie es ein Arbeitnehmer sich aussucht, (nicht) für dieses Blatt zu schreiben. Klar kann man argumentieren, es sei ein freiwilliges Schicksal, wenn man sich auf eine gefährliche Flucht begibt. Es ist auch eine freiwillige Wahl, sich ersatzweise enthaupten zu lassen.
Ähm, ja.
Dann gab es noch die Art von Verein, die meinten, ihr Profil nicht mit der Absage an diesen Sonderbadge schärfen zu wollen. Kann man so machen, Fortuna Düsseldorf, aber es vermittelt einen interessanten Eindruck, wenn ihr euer Profil offenbar lieber durch das Mitmachen bei einer von einem Schmierblatt initierten Aktion verbunden sehen wollt.
Ebenso war voraussehbar, wie sich die weit überwiegende Zahl der Fussballfans äußern würde. Auch das hatte sich bereits bei #KeinFussball gezeigt. Und es wird sich auch an diesem Wochenende in allen Kurven zeigen, wie es das am gestrigen Abend bereits in Dortmund tat.
Die #BVB-Fans auf der #Südtribüne beziehen deutlich Stellung gegen die #BILD. #BILDnotwelcome #BVBFKK pic.twitter.com/0aLLxLSk64
— schwatzgelb.de (@schwatzgelbde) September 17, 2015
Am stärksten wird sich dieses sicherlich bei den Vereinen auf den Tribünen zeigen, die der Auffassung waren, jede Aktion eines „Premium- Sponsors der Bundesliga“ mitmachen zu müssen, irgend welchen imaginären Vertragsbedingungen verpflichtet zu sein (hallo Eintracht Frankfurt!), die mit Sicherheit nicht vorsehen, alle Aktionen mitmachen zu müssen- sondern lediglich, eben das Sponsorenlogo zu zeigen.
Alles wie immer halt. Was für ein elendiges Gekusche vor vermeintlich schlechter Springer- Presse. Schlechte Springer- Presse ist in diesem Fall ein Qualitätsmerkmal, denn hetzerische Heuchelei kann es nicht Wert sein unterstützt zu werden!
Besonders gespannt war ich naturgemäß, wie sich der Vorortclub positionieren würde. Denn auch deren Fans forderten ein, sich dem FC St. Pauli bei dieser Entscheidung anzuschließen (das ich das noch mal erleben darf…). Und doch hatte ich im Ergebnis mit dieser Reaktion gerechnet – ein HFC Falke hatte sich ja nicht ganz grundlos gegründet.
Nein, FC St. Pauli, auch wenn es letztlich doch eine stärkere Aufmerksamkeit bewirkte, als sie es hätte selbst erreichen können, wenn alle einfach stillschweigend mitgemacht hätten: Für genau dieses nicht Duckmäusertummäßige eben nicht immer einfach nur schweigen liebe ich dich!
Manchmal ist es richtig, nicht einfach nur zu schweigen. Und manchmal ist es erforderlich, die kleine Kröte zu schlucken, diesem Machwerk mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, als es eigentlich verdient hätte, wenn man sich mit voraussehbaren Folgen an dieses wendet und ihm mitteilt, dass man sich mit Ekel von diesem abwendet.
Manchmal ist es richtig, nicht einfach zu schweigen, nicht einfach nur vom Schweigen sei Gold zu reden. Insbesondere dann, wenn man die Stimme für Leute erhebt, die zwar nicht sprachlos sind, die aber sprachlich nicht immer verstanden werden können, weil sie eine andere Sprache sprechen. Oder weil sie ihre Flucht nicht überlebt haben.
In Momenten, wo Dinge wie am Strand liegende tote Kleinkinder, ein #TrainOfHope und #MarchOfHope Bilder liefern. Sehr starke und große Bilder ohne viele Worte.
Bilder, die drastisch aufzeigen, dass in diesem Europa etwas ganz gehörig falsch läuft.
Bilder, an die auch die Bild als das Medium der großen Headlines und ganzseitigen Bilder irgendwann nicht mehr vorbei kam und auf einen Zug aufsprang, der hoffentlich nicht mehr aufzuhalten ist. Auch wenn vieles, auf dem dieses Medium aufspringt nicht mehr vieles von dem übrig lässt, was es ursprünglich einmal beinhaltete. Es bleibt zu hoffen, dass dieses im Falle von „Refugees Welcome“ nicht ebenso geschieht.
In solchen Momenten ist es erforderlich, auch der Bild, die schon immer mit großen Headlines und drastischen (gerne auch mal geklauten) Bildern herumkampagnierte aufzuzeigen, dass populistische Schlagzeilen, die sich nach der vermuteten Stimmungslage der deutschsprachigen Bevölkerung richten, und ganzseitige Bilder eben nicht immer stärker sind als starke Worte und Taten.
Manchmal tut man gute Dinge, indem man sie nicht tut. Beispielsweise, wenn Dinge durch heuchlerische Hetzer getan werden, die ihre Stimme immer danach ausrichten, wie die vermeintliche Stimmungslage in der Bevölkerung ist (zu der in deren Augen offenbar längst nicht jeder zu gehören scheint, der hier lebt).
In solchen Zeiten ist es besser, Dinge auch mal nicht zu tun. Oder sie anders zu machen, als es das Stammtischsprachrohr gerne hätte.
Man gibt dadurch auch denen eine Stimme, die im lauten Geschrei (leider auch ganz real im Wortsinne) untergehen.
Mir selbst fehlt das Geld. Aber unter meinen Followern gibt es bestimmt welche, die @seawatchcrew unterstützen können. Dann tut es bitte!
— 🤎🤍❤️☠ Stefan Derbysieger ☠🤎🤍❤️ (@Kiezkickerde) September 17, 2015
Apropo untergehen: Unterstützt die Sea-Watch, damit zukünftig weniger wegen der grandios gescheiterten EU-Politik sterben!
Danke, FC St. Pauli.
Refugees Welcome.
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