Es deutete sich mit einem relativ kryptischen Posting von Ralle auf Facebook an, was ich erst zuordnen konnte, als sich auch Der Übersteiger ebenfalls auf Facebook äußerte, und so sickerte nach und nach durch, dass Boll beim vorletzten Heimspiel eben nicht auf dem Platz stehen würde.
So weit, so gut. Was dabei heraus kam, haben wir alle gesehen, und alle haben in den letzten Tagen sicherlich auch drüber nachgedacht, aber so wirklich überzeugt mich das alles nicht. Es scheint nach wie vor so, als ob Vrabec ein wenig der Einblick in das Funktionsprinzip der St. Paulianischen Fanseele fehlt – sagt er ja selbst in seiner (unten stehenden) Erklärung- „Die emotionale Komponente dieser Entscheidung habe ich in seiner Tragweite unterschätzt.“ Und das sagt ein Trainer einer Fußballmannschaft, deren Anhänger sich nahezu ausschließlich aus emotionalen Gründen zu diesem Team bekennen – sportliche Erfolge oder andere Dinge, anhand dessen sich Fans ihren Verein „aussuchen“ gibt es schon bei anderen Vereinen eher weniger (meist ist es doch eher wohnortbedingt), bei uns dürfte das aber in der Mehrzahl der Fälle gar nicht auffindbar sein. Wenn es nach sportlichen Erfolgen ginge, wären einige von uns bei den Rothosen gelandet, jedenfalls, wenn sie ihre Laufbahn als Fußballfan vor ungefähr 20 Jahren begonnen haben. Nein, bei uns definiert sich der gemeine Fan deutlich stärker gefühlsbetont.
Und das hat Vrabec wirklich unterschätzt, als er in seiner Pressekonferenz (direkt nach dem Spiel) die Fans anging, weil diese eben so handelten, wie sie eben ticken? Und hat infolgedessen dann mit Boll darüber gesprochen?
Wenn man sich ansieht, wie kraft- und besonders in der ersten Halbzeit auch emotionslos das Team gegen Aalen aufgetreten ist, und sich vorstellt, welchen Push eine „Führungsfigur“ wie Boll dem Spiel womöglich hätte geben können, um diesen müden Kick ein wenig Power einzuhauchen, tränt mein Auge. Das war nicht St. Pauli – like, jedenfalls nicht das St. Pauli, wie ich es mir wünsche. Was ruhig verlieren darf – aber doch bitte leben soll, bitte emotionaler ans Spiel gehen sollte. Da helfen auch keine Gelben Karten als Alibi, das war alles viel zu emotionslos. Zu wenig Kampf. Zu wenig Leidenschaft. Eben zu wenig St. Pauli, zu viel Fußball, wie er woanders gespielt werden kann. Und das ist auch der Grund für meine gewählte Überschrift – es fehlte das, was ich beim FC St. Pauli so mag: Die Leidenschaft. Die emotionalen Dinge. Wie eben einem langjährigen Spieler, der nie woanders gespielt hat auch seine letzten beiden Heimspiele zu ermöglichen, nachdem er verletzt war und sich für eben jene zwei Spiele noch mal rangekämpft hat. Und ihm eben nicht mit einem letzten Heimspiel und ein Abschiedsspuiel abzuspeisen. Sondern das tun zu lassen, wofür er ausgebildet wurde. Schieß doch, Bulle! Und er hätte geschossen. Und wenn ich mir so die Vergangenheit dieses Vereins ansehe, was diese so magischen Momente angeht – er hätte getroffen. Um eine neue Geschichte zu fertig zu schreiben. Seine eigene.
Und ich bin nicht wirklich davon überzeugt, dass Vrabec diese Lektion gelernt hat. Das es beim FC St. Pauli eben nicht vorrangig um den sportlichen Erfolg geht. Jedenfalls nicht bei den Fans (sieht er als Trainer natürlich naturbedingt anders). Ein wenig mehr Einfühlungsvermögen, bitte.
Nein, ich möchte deswegen jetzt nicht direkt einen neuen Trainer für meinen Lieblingsclub. Empathie lässt sich allerdings nicht einpflanzen. Aber sie lässt sich trainieren, damit sollte sich ein Trainer ja auskennen. Und es wird wohl auch zukünftig nicht der Fall sein, dass beim FC St. Pauli darüber entscheiden, wer aufgestellt wird. Aber ein wenig in die Fanseele könnte der Trainer ja doch mal reinhören.
Gegebenfalls bedarf es dazu eben auch ein wenig Wind von den Tribünen, wenn der Trainer taub zu sein scheint, auch das zeichnet den FC St. Pauli aus – das Fans etwas nicht einfach so hinnehmen.
Das sie ihre Meinung sagen, ohne ein Team vom Platz zu pfeifen, was gerade die letzte (theoretische) Aufstiegschance durch eine emotionslose Nichtleistung gegen einen potentiellen Abstiegskandidaten vertan hat. Das dann als „mangelnde Unterstützung des aufgestellten Teams“ umzudeuten finde ich allemal interessant. Und es regt mich auch jetzt, mehrere Tage nach diesen Worten, noch immens auf.
Dem doch sehr jungen Team mache ich da keinen Vorwurf – es fehlte eben ein älterer, erfahrener Leitwolf… Es braucht manchmal Leitwölfe in Momenten, wo das sportliche Ziel (nicht) erreicht ist – das hat der FC Bayern beim Augsburgspiel erfahren dürfen, nachdem sie die Meisterschaft klar gemacht hatten – und wir eben, nachdem es nur noch theoretische Chancen für den Relegationsplatz gab.
Aber es wird sich schon noch ein Leitwolf finden können… wenn Trainer nicht nur trainieren, sondern wirklich auch noch lernen. Und den Boll dann eben jetzt aufstellen – beim nächsten Auswärtsspiel (und eben nicht nur beim letzten Heimspiel). Für einen Kurzeinsatz wird es schon noch reichen – und wenn er mit Krücken auflaufen muss (weil angeblich noch nicht ganz fit und Gefahr und so).
Es schrieben ansonsten noch:
- Regionalligagedächtniskick gegen Aalen (mit A-A), alle Bolls mit katastrophaler Leistung
- Fotos von USP
- Boller wär toller
- Fotos aus dem Süden
- Mit 17 wär das nicht passiert
- Alles im Zeichen der 17
- Drin: Ball. Draußen: Boll.
- Undank, des Bollers Lohn
- Ein unsichtbarer Boll überall und die selbstgestellte Trainerfrage
Stellungnahme vom Cheftrainer
In den letzten Tagen hat die Nichtnominierung von Fabian Boll für den Kader zum Spiel des FC St. Pauli gegen den VfR Aalen sowie eine Äußerung von Cheftrainer Roland Vrabec auf der Pressekonferenz nach dem Spiel für große Diskussionen in der Fanszene des FC St. Pauli gesorgt. Hierzu nimmt Roland Vrabec wie folgt Stellung:
Ich war nach unserem Spiel gegen Aalen aufgrund der gezeigten Leistung emotional aufgebracht und sehr enttäuscht. Deshalb bin ich bei der Beantwortung der Frage, wo denn Fabian Boll gewesen sei, mit meiner Antwort über das Ziel hinausgeschossen. Hierfür habe ich mich auch bereits bei dem Journalisten entschuldigt.
In diesem Zusammenhang war es überhaupt nicht meine Absicht, die Fans des FC St. Pauli mit der Aussage: ‚Ich würde gern die Fans bitten, Interesse an den Spielern zu bekunden, die auf dem Platz stehen, und nicht an Fabian Boll.’ zu provozieren. Denn ich weiß, welche Bedeutung die Anhänger für unseren Verein und die Geschichte des Clubs haben, und ich weiß sehr wohl, dass die Mannschaft in keinem Stadion in Deutschland nach solch einem Spiel mit Ovationen verabschiedet worden wäre. Diese Leidenschaft und Loyalität der Fanszene gegenüber uns als Mannschaft ist ein riesiges Faustpfand für unseren Verein.
Aus rein sportlicher Sicht stehe ich immer noch zu der Entscheidung, Fabian Boll nicht für den Kader nominiert zu haben, da er nach der langen Verletzungszeit und seinem erneuten verletzungsbedingten Ausfall beim Spiel in Cottbus aus sportlicher Sicht noch nicht so weit war, uns bei dem Spiel gegen Aalen, das wir mit aller Macht gewinnen wollten, zu helfen. Die emotionale Komponente dieser Entscheidung habe ich in seiner Tragweite unterschätzt.
In einem längeren Gespräch mit Fabian Boll und Rachid Azzouzi habe ich Boller noch einmal den vor Wochen gefassten Plan mitgeteilt, dass er die Mannschaft gegen Aue als Kapitän aufs Feld führen wird, um einen gebührenden Abschied nehmen zu können.
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