Live8: Mitschnitt und die teilweise aufkommende Kritik
Hm, eigentlich hatte ich vor, die Livestreams vom Live8-Konzert mal auf Platte zu ziehen (die wiederholen auch jetzt noch, vermutlich bis Ende August – so las ich – alle Konzertmitschnitte).Angesichts dessen, dass ich jedoch weder einen DVD-Brenner, noch genügend Plattenplatz habe, lasse ich das wohl nun doch besser. Alleine für die beiden Städte, die ich mir jetzt komplett angesehen habe (das Konzert aus dem Londoner Hydepark sowie aus Berlin) kämen rund 90 GB Daten zusammen- trotz bereits reichlich vorhandener Kompression. Und so viel Plattenplatz habe ich zum einen nicht, zum anderen wäre das wegbrennen doch ein kleines bischen zu zeitaufwendig. Muss ich halt doch auf die Kaufvariante warten. Dann auch mit besserer Bildqualität, aber leider wohl auch sicherlich deutlichst kommerziell ausraubend.
Egal, nun schaue ich mir eh erstmal das komplette Paris – Live8- Konzert an. :o)
Ein wenig befremdlich finde ich nun jedoch die teilweise in den Blogs aufkommende Kritik (bspw. Protest gegen Armut – powered by AOL von Hanno), dass sich auch riesige Wirtschaftsunternehmen mit auf diesen Protestzug aufschwingen, die sich bei anderen Gelegenheiten vielleicht nicht ganz so klasse verhalten.
Hier kann ich mich eigentlich nur /usr/portage anschliessen, der in seinem Artikel folgendes ausführt: „Ein richtiger und wichtiger Schritt sind diese Konzerte trotzdem. Sie verbinden eine sinnvolle Forderung mit einem wirklich geilen Event. Wer sich die Besetzungen der Konzerte einmal angesehen hat, wird feststellen, dass es sich hier um eine Art Who is Who der Musikszene handelte.“
Noch treffender vermochte es Julian Finn zu formulieren: Aber wenn auch nur ein Mensch sich danach mehr gegen das Leid dieser Welt engagiert, wenn ein Zeitungsartikel mehr über die Kriege, die Aidstoten und den Hunger bereichtet, war Live8 ein Erfolg. Wenn es hilft, die Demonstrationen in Edinburgh zu stärken, wenn es hilft, die G8 auch nur zu einem faden Kompromiß zu bewegen, der besser als das was jetzt ist, ist Live8 ein Erfolg.
Man kann und muss sich sicherlich fragen, inwieweit derartige Massenevents (Event ist, glaube ich, ein passendes Wort dafür…) in der Lage sind, wirklich etwas zu bewirken.
Sie bewirken sicherlich zumindest ein wenig Aufmerksamkeit für ein noch immer großes Problem – wenn auch wahrscheinlich nur für sehr kurze Zeit – oder leider wohl eine zu kurze Zeit. Aber die nächste entscheidende Konferenz findet aber ja auch bereits kommenden Mittwoch statt – und bis dahin wird man diese Konzerte nicht vergessen haben.
Letztlich denke ich nicht, dass ein änlich großer Schritt wie beim ersten Live8 erreicht werden wird, der immerhin zu einem Aufhorchen geführt hat. Mal davon abgesehen davon, dass ich dieses ohnehin nur als 10-jähriger Steppke mitbekam, zu einem Zeitpunkt, als ich noch Aha hörte (cool, die konnte ich gestern auch wieder hören und sehen!) und meine erste Freundin hatte. Meine Erinnerungen an dieses damalige Konzert sind also vermutlich dementsprechend ein klitzekleines bischen von meinen damaligen Realitäten rosarot eingefärbt, vielleicht sogar verblendet, aber gleichwohl empfand ich es als sehr schön.
Gerade im heutigen Medienzeitalter hat sich ein Großteil der Menschheit bereits zu sehr daran gewöhnt, regelmäßig mit Kriegen, Elend und Armut konfrontiert zu werden, als das derartige 30-Sekunden- Berichte noch für eine nachhaltige Veränderung in den Köpfen sorgen könnte. Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, wenn nicht sogar entscheidend, den Protest möglichst groß aufzuziehen. Demonstrieren, wie in Genua, hunderttausende, finden diese Proteste nur in den Randspalten der Medien Platz, wenn überhaupt. Ein Konzert, welches an vielen Orten gleichzeitig – mit praktisch der gesamten Musikprominent- stattfindet, erhält da schon noch eine ungleich höhere Aufmerksamkeitsspanne beim „gemeinen Volk“, was sich ansonsten allenfalls noch für Sportschau, Musikantenstadl und „Die 100 nervigsten xyz“- „Sendungen“ interessiert, einfach deswegen, weil es Entertainment ist. Also seichte Unterhaltung fürs Volk, das sich selbst auf die Schulter klopfen kann, weil es auch eine so tolle Armschleife erworben hat, ein Volk, was ansonsten nicht bis nach Afrika denkt, sondern dessen Horizont zumeist beim Bild“zeitungs“lesen am Stammtisch aufhört, und was sich ansonsten maximal noch die Tagesschau anschaut und das dort gesagte dann für Wahrheit und Weisheit hält.
Und damit entsprechend publikumsträchtige Konzerte, die ein breites Publikum, was sich ansonsten nicht für das Thema interessiert angesprochen fühlt durchgeführt werden können, braucht es eben Sponsoren. Und dann habe ich auch kein Problem damit, einen Link auf die entsprechende AOL- Streamseite zu setzen, wo man sich das Konzert ansehen kann. Letztlich ist mir die dann eingeblendete Werbung scheissegal, und der Traffic, den dieses Konzert verursachte, den gönne ich den AOLern ehrlich gesagt in gewisser Weise auch. Klar, letztlich zahlt das AOL wiedermal nicht selbst, aber drauf geschissen. Der Stream war für mich einfach die einzige Möglichkeit, mir das Konzert überhaupt anzusehen. Muss man sich da nun für schämen, dass man dafür dann auf ein Angebot eines Scheissproviders zurückgreift? Für mich war es zum einen von den Kosten her kaum möglich, das Konzert live vorort anzuschauen, zum anderen hatte ich keinen Bock, mich in eine 6spurige(?) Strasse zu stellen und dann irgendwo in 2 Kilometern Entfernung irgendeine Bühne erahnen zu können. In gewisser Weise bin ich also aol dankbar dafür, dass sie mir ermöglicht haben, diesen Konzerten indirekt beizuwohnen. Zu deren Kunde werde ich trotzdem nicht, empfehlen werde ich die auch nicht, und meinetwegen können die auch gerne ihre Zentrale bei mir um die Ecke dicht machen, auf dieses Werber- und Internetvolk, was hier mitlerweile durch die Schanze marschiert habe ich ohnehin keinen Bock mehr (hm, und das, obwohl die letzte Arbeitsstelle, die ich besass eben eine aus jenem Metier war, hm…).
Nun, was wird das Konzert also bringen, bzw. was hat es vielleicht sogar schon gebracht? Es bringt einfach ein wenig Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit für ein Problem, was ansonsten in den Köpfen, in der täglichen Berichterstattung, oder auch im täglichen Leben keine Aufmerksamkeit mehr bekommt. Insofern bringt das Konzert selbst für die entsprechenden Länder, ganz direkt, wohl nichts, das mag stimmig sein. Aber es erweckt Aufmerksamkeit, ruft diese Länder immer wieder in die Erinnerung zurück- und insofern freue ich mich bereits auf den Kauf der wohl bald erscheinenden Konzert- DVDs. Damit ich selbst nicht wieder in die Falle des Vergessens zurückfalle, sondern mir immer wieder vergegenwärtige (und danach lebe!), dass es mir, gemessen am bundesdeutschen Durchschnittseinkommen, finanziell zwar sehr bescheiden gehen mag – dass dieses bescheidene Leben aber in jedem Fall noch ein Leben ist, was mir das überleben ermöglicht. Und daran denkt man dann zumindest jedesmal, wenn man sich dieses Konzert ansehen wird- und das ist dann vermutlich öfter, als ohne dieses Konzert.
Ich halte es nicht nur für einen Zufall, dass man jetzt zumindest schonmal ein paar wenige Länder ihre Schulden erlassen möchte. Das ist gerade in der momentanen Situation, in der sich die entsprechenden Länder befinden ein nicht zu unterschätzender Schritt in die richtige Richtung, wenn auch nur ein kleiner Schritt, ein sehr kleiner.
Nun muss daraus eigentlich nur noch ein richtiger Marsch werden…!
Kommentar verfassen